Job-Turbo

„Arbeit ist der einzige Weg, um in Deutschland wirklich anzukommen“

Das sagt Lena Beljanin. Sie ist Teamleiterin im Jobcenter Gelsenkirchen und hat gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Teams und Bereichen am 22. April einen Job-Turbo-Aktionstag veranstaltet. Hunderte geflüchtete Arbeitsuchende informierten sich über freie Stellen, die Anerkennung ihrer ausländischen Abschlüsse und über Weiterbildungsmöglichkeiten.

Xander Heinl

Während des Job-Turbo-Aktionstags wurden viele erfolgreiche Beratungsgespräche geführt.

Im Eingangsbereich des Jobcenters herrscht an dem Montagmorgen ein ungewöhnliches Gedränge. Am Anmeldetresen fragen Menschen mit Flyern und Briefen in der Hand, wo sie hinmüssen und werden über die Treppe in den ersten Stock geschickt. Dort nehmen Mitarbeitende des Jobcenters die Besucherinnen und Besucher in Empfang, fragen sie, in welchem Bereich sie nach Arbeit oder einer Weiterbildung suchen. Insgesamt etwa 500 Leistungsbeziehende hat das Jobcenter für acht halbstündige Zeitslots eingeladen. Bereits nach einer Stunde war der Andrang groß. Wir haben viele nicht nur per Brief, sondern auch persönlich eingeladen. Am Ende ist es auch für uns immer eine Überraschung, wie viele tatsächlich kommen, erklärt Anke Schürmann-Rupp, Geschäftsführerin des Jobcenters Gelsenkirchen.

Arbeitsuchende und regionale Unternehmen lernen sich kennen

Im ersten Raum stellen sich sechs Arbeitgebende aus Gelsenkirchen und der näheren Umgebung vor; in einer der hinteren Ecken gibt es Wasser und Kaffee. Auf den Tischen stehen kleine Aufsteller mit Stellenangeboten – in der Pflege, im Einzelhandel, im Baugewerbe und in Schwimmbädern. Fast alle Sitzplätze an den Infotischen sind besetzt, überall werden Gespräche geführt. Bei der Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr sitzt Anastasia Z. für eine Beratung. Die 25-Jährige ist vor zwei Jahren aus der Ukraine geflüchtet, dort hatte sie als Einzelhandelskauffrau gearbeitet. Ich habe gerade meine B2-Prüfung bestanden und möchte jetzt unbedingt schnell Vollzeit arbeiten, erzählt sie. Karsten Küper von der Freizeitgesellschaft erklärt ihr, dass sie dringend Servicekräfte für ihre Schwimmbäder suchen. Das könnte passen und er gibt Anastasia die E-Mail-Adresse mit, an die sie ihre Bewerbung schicken kann. Der Fachkräftemangel ist bekanntlich groß und für uns ist der Aktionstag eine gute Gelegenheit, nach Personal zu suchen. Es ist ja ordentlich was los hier und wir merken im Gespräch gleich, ob die Deutschkenntnisse ausreichen, erklärt Karsten Küper.

Einen Raum weiter sitzt Stefanie Görtz. Sie arbeitet bei der IHK Nord Westfalen als Referentin für Fachkräftesicherung und bietet heute Anerkennungsberatungen an. Geflüchtete können ihr ihre ausländischen Zeugnisse oder Zertifikate zeigen und sie überprüft, ob der Schul-, Hochschul- oder Berufsabschluss gleichwertig mit einem deutschen Abschluss sein könnte und verweist an die richtige Ansprechperson bei der IHK. So verkürze ich für sie den Weg zum Ziel und kann bei so einer Veranstaltung wie heute so viele Beratungen durchführen, wie ich normalerweise nicht mal in einer ganzen Woche schaffe, erklärt die Referentin.

Durch berufliche Möglichkeiten steigt auch die Motivation, besser Deutsch zu lernen

Im nächsten Raum teilen sich sechs Bildungsträger und der Job Point die Ausstellungsfläche. Der Job Point ist eine Art Marktplatz für Arbeitgebende und Arbeitsuchende – ein Service des Jobcenters, der unverbindlich und ohne Hürden freie Stellen vermittelt. Die blauen Stehtische sind alle besetzt, viele Besucherinnen und Besucher blättern in den dicken, blauen Mappen, die dort ausliegen. Darin finden sich Stellenangebote, etwa als LKW-Fahrer:in, Produktionshelfer:in, Lackierer:in und Physiotherapeut:in. Msallam A. unterhält sich an einem der Tische mit einer anderen Leistungsbeziehenden. Ich habe in Syrien als Lehrer gearbeitet und möchte in Deutschland eine Weiterbildung zum Fahrlehrer machen, sobald ich meine Deutschprüfung bestanden habe, erzählt er.

Über solche eine Weiterbildung zum Fahrlehrer oder zur Lokführerin beraten zwei Mitarbeitende des Bildungsträgers SBH West direkt nebenan. Mit Bock auf Lok werben sie dafür auf den ausliegenden Informationsflyern. Klar können fehlende Sprachkenntnisse eine Hürde sein, aber wo ein Wille ist, ist immer auch ein Weg, ist sich Lukas Dams sicher. Wenn Menschen sehen, welche beruflichen Möglichkeiten sie in Deutschland haben und dass der Staat will, dass sie hier Fuß fassen, steigt auch die Motivation, noch besser Deutsch zu lernen. Das Jobcenter unterstützt dabei wirklich sehr.

Der Aktionstag bietet Gelegenheit für viele persönliche Gespräche

Auch Silke Schalinsky macht ähnliche Erfahrungen. Sie betreut den Stand des Trägers bfw – Unternehmen für Bildung. Gerade erklärt sie einer Besucherin den Unterschied zwischen einer Ausbildung und einer Umschulung. Ich würde Ihnen raten, erst einmal auf Ihre Anerkennung zu warten, rät sie der Frau, die in Syrien als Grundschullehrerin gearbeitet hat und sich für eine Weiterbildung zur Fachkraft für Büromanagement interessiert. Der Aktionstag ist eine sehr gute Gelegenheit, Menschen in persönlichen Gesprächen individuell zu beraten, erklärt Silke Schalinsky, so können wir unser Angebot viel besser erläutern und gemeinsam schauen, ob die Deutschkenntnisse dafür in der Praxis schon ausreichend sind.

Die eingeladenen Leistungsbeziehenden stammen größtenteils aus der Ukraine und den acht zahlenmäßig stärksten Herkunftsländern wie Afghanistan, Syrien oder dem Irak – sie sind die vorrangige Zielgruppe des Job-Turbos, der im vergangenen Herbst gestartet ist. Zu unserem Kerngeschäft gehört es, Menschen mit Fluchtgeschichte in Arbeit zu bringen. Mit dem Job-Turbo widmen wir uns dieser Aufgabe noch konzentrierter und die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebenden hat sich intensiviert, erklärt die Jobcenter-Geschäftsführerin Anke Schürmann-Rupp. Im Zeitraum von November 2023 bis März 2024 konnten ihre Mitarbeitenden bereits 44 ukrainische Staatsangehörige sowie 424 Personen aus den sogenannten acht Asylherkunftsländern in den Arbeitsmarkt integrieren.

Der Aktionstag will Hürden abbauen und Mut machen

Eine der mehr als zehn Jobcenter-Mitarbeitenden, die den Besucherinnen und Besuchern auf dem Aktionstag ihre Unterstützung anbieten, ist Lena Beljanin. Sie stammt aus der Ukraine und lebt seit 19 Jahren in Deutschland. Der besondere Draht zu den Geflüchteten aus der Ukraine, die sie betreut, ist zu spüren, sie wird ständig herzlich gegrüßt und angesprochen. Ich sage unseren ukrainischen Leistungsbeziehenden immer: Arbeit ist der einzige Weg, um in Deutschland wirklich anzukommen. Auf der Arbeit musst du Deutsch sprechen und erst so lernst du es richtig, erklärt sie. Deshalb hält sie viel von dem Ansatz des Job-Turbos, Menschen möglichst früh in Arbeit zu vermitteln, auch mit geringen Deutschkenntnissen.

Neben allen Informationen über Unterstützungsangebote sei ihre Aufgabe vor allem, den Arbeitsuchenden Mut zu machen. Viele sprechen eigentlich viel besser Deutsch, als sie zugeben, trauen sich aber nicht, erzählt sie. Und auch bei der Arbeitssuche haben viele Hemmungen. Der Job-Turbo-Aktionstag soll helfen, Hemmschwellen abzubauen. Unsere Leistungsbeziehenden können Arbeitgebenden auf Augenhöhe begegnen und wir vom Jobcenter unterstützen sie dabei, sagt sie.

Am Ende des vierstündigen Aktionstages leeren sich die Räume langsam. Ali Dülger ist zufrieden. Sein Stand war die ganze Zeit über sehr gut besucht, das Interesse an seinen Stellenangeboten im Bereich Sanitär und Heizung war groß. Er ist Geschäftsführer einer Firma für Wärmepumpen mit acht Angestellten, vier sucht er derzeit noch. Ich habe heute zwölf längere Gespräche geführt und bei dreien glaube ich, könnte das was werden. Die passen super und bringen die nötige Erfahrung mit, sagt Ali Dülger zuversichtlich.

Xander Heinl

„Zu unserem Kerngeschäft gehört es, Menschen mit Fluchtgeschichte in Arbeit zu bringen. Mit dem Job-Turbo widmen wir uns dieser Aufgabe noch konzentrierter und die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebenden hat sich intensiviert." Anke Schürmann-Rupp, Geschäftsführerin des Jobcenters Gelsenkirchen.

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„Die meisten Arbeitgebenden sind offen dafür, geflüchtete Menschen einzustellen – auch wenn die Sprachkenntnisse noch eingeschränkt sind." Alessa Witt, Teamleiterin des Service für Arbeitgebende des Jobcenters Gelsenkirchen.

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„Arbeit ist der einzige Weg, um in Deutschland wirklich anzukommen. Erst wenn unsere Leistungsbeziehenden arbeiten, werden sie auch richtig Deutsch lernen." Lena Beljanin, Teamleiterin im Jobcenter Gelsenkirchen.

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„Wenn ich meine Deutschprüfung bestanden habe, möchte ich eine Umschulung zum Fahrlehrer machen." Msallam A., Leistungsbeziehender des Jobcenters Gelsenkirchen.

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„Ich arbeite im Moment als Freiwillige beim DRK. Mein Ziel ist es, Sozialarbeiterin zu werden." Anna D., Leistungsbeziehende des Jobcenters Gelsenkirchen.

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„Der Aktionstag ist eine super Möglichkeit für mich, Personal zu finden, das ich dringend suche." Ali Dülger, Geschäftsführer des Heizungs- und Klimatechnikbetriebs NaMi in Gelsenkirchen.

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„Ich helfe Menschen dabei, ihren ausländischen Abschluss möglichst schnell auf Gleichwertigkeit prüfen zu lassen." Stephanie Görtz, Referentin Fachkräftesicherung, IHK Nord Westfalen.

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„Wenn Menschen sehen, welche beruflichen Möglichkeiten sie in Deutschland haben und dass der Staat will, dass sie hier Fuß fassen, steigt auch die Motivation, noch besser Deutsch zu lernen." Lukas Dams, Bildungsdienstleister SBH West.

Xander Heinl

„Der Aktionstag ist eine sehr gute Gelegenheit, Menschen in persönlichen Gesprächen individuell zu beraten." Silke Schalinsky, bfw – Unternehmen für Bildung.

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